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It's okay to be Meh

Zugegeben, der Titel ist geklaut. Die US-amerikanische Autorin Steph Auteri nutzte ihn kürzlich als Aufhänger für ihren aktuellen Newsletter “Thunder Thights.” Was Steph macht außer Sexueller Bildung und Schreiben und was dabei genau: Ich weiß es nicht. Vor Jahren gab ich ihr mal ein telefonisches Interview. Was daraus wurde? Ich weiß es nicht. Aber ihren Newsletter hab ich abonniert und ich folge ihr auf Insta. So viel weiß ich. Ein Buch hat sie geschrieben mit dem Titel “A dirty word.” Nicht gelesen, wie so vieles andere auch nicht. Aber ihren Newsletter liebe ich. Er bietet Krimskrams, den sie im Netz findet, sowie die Rubriken “Everything I Accomplished Despite Life” und “Necessary for My Sanity This Past Month”.

Zugegeben bei den Accomplishments bin ich dann ja wieder in der Leistungsschiene ein bisschen, aber hey, ich denk mir grade, ich schreib hier einfach mal so ins Internet wie Steph das macht, bisschen chaotisch, bisschen strukturiert, aber ohne große Strategie dahinter, weil ich mich einfach schon sooo lange danach sehne. Wer’s mag: fein, wer nicht: auch okay.  Warum bin ich jetzt “Meh” oder worum gehts in diesem Text? Weil Steph schreibt: “When you are feeling Meh while the world is burning.

 

Und ich bin sowas von Meh.

Meh während #coronaeltern und @fraufrasl am Anfang von Corona sowas von laut waren im Netz und Finger auf die Wunde legten und ich nur dachte: Ich will auch, aber kann nicht. Meh während hier diese unsägliche Missy oder Milf-Sendung läuft und ich mir denke: Oh, ich sollte da was schreiben...schließlich hab ich ein ganzes Buch diesem Milf-Thema gewidmet. Aber dann tritt zumindest meine innere She-Ra an (an dieser Stelle eine unbedingte Serien-Empfehlung!) und knallt mir mit dem Stopp-Schild kräftig eins auf die Rübe. “Nein, musst du nicht!” ruft sie mit wehendem Haar und strengem Blick. Sie hat ja recht. Ich muss nicht überall dabei sein und ich muss nicht immer alles planen und strategisch klug anlegen. Vielleicht wäre das geschickt, aber gerade so: “Meh”. 

 

Und dann lese ich Mareice Kaisers Brief auf editionfplus an ihre Follower*innen mit dem Titel “Ich bin ein Mensch, keine Marke!” und fühle mich ebenso gut aufgehoben wie bei Steph Auteri. Mareice (ich duze sie jetzt mal, weil ich sie kenne), schreibt von der Ambiguitätstoleranz, der Fähigkeit, Widersprüchliches auszuhalten. Auch das, dass Menschen halt auch mehr sind als ihre kuratierten Social Media Streams oder was mensch von ihnen sieht, wenn sie das Haus verlassen.

 

Lange war ja für viele Menschen in meinem Umfeld nicht denkbar, dass ich zusammenbröseln könnte, schon gar nicht für mich. Weil ich so stark bin, so viel aushalte und so viel schaffe. Spoiler: Das ist gar nicht so schwer, wenn eine*r konstant über die persönlichen Grenzen hinweg geht bzw. sie eh nicht kennt. Und schon möchte ich mich gerne zensieren und mir auf die Finger klopfen weil:

 

Darf mensch das als Mitte/Ende-Dreißigjährige denn ins Internet schreiben?

Ist dieses Scheitern nicht so die Held*innenerzählung der Mitte/Ende 20iger, die dann nach einer großen Reise oder der Geburt eines Kindes zu ihrer inneren Mitte finden, sesshaft und spätestens dann super erwachsen werden?

 

Früher hatte ich auch so ein Bild vom Erwachsenenleben. Heute weiß ich: Eine*r wird nur älter, bleibt aber derselbe Mensch mit denselben Träumen, Flausen und Eigenheiten. Natürlich entwickeln sich Menschen weiter, die Themen werden andere mit den jeweiligen Lebensrealitäten. Aber müssen wir uns deshalb gleich so viel Druck machen und nur mehr darauf schauen, wie wir diverse Lebensbereiche optimieren?

 

Dürfen wir unsere Gefühle plötzlich nicht mehr zeigen? Unsere Angst, Trauer, Wut und Überforderung? Gibt’s nur mehr shiny happy people? Können wir nicht auch einfach mal laut sein und sagen: Hey Politik, das hier funktioniert so gar nicht! Oder auch “Meh” sein, wenn rund um uns zum Himmel schreiende Ungerechtigkeiten passieren? Wenn ich jetzt ein Posting zu #blacklivesmatters mache, bringt das nämlich niemanden was. Stattdessen könnte ich endlich mal die Bücher lesen, die seit Monaten von der Bibliothek ausgeborgt rumliegen und mich zeitgleich noch mehr weiterbilden mit Tupoka Ogette und den vielen anderen Menschen, die mir in die Timeline gespült werden und meine Privilegien und Rassismen weiter hinterfragen. Denn auch hier gibt es jede Menge Widersprüche in mir, so viele Fragezeichen und so viel zu lernen. 

Ich springe von einem Thema zum anderen. Na und? So sieht es in meinem Kopf halt aus.

 

Und nun bedanke ich mich feierlich bei mir selbst, wie Mady Morrison* mir das beim Yoga auf Youtube am Ende jeder Einheit (die bei mir meist nur 10 Minuten dauert) aufträgt. Ich bedanke mich bei mir dafür, dass ich hier einfach meine Gedanken rausrotze ohne Anspruch auf eine Botschaft oder sinnvollen Textaufbau. Kein Leistungsanspruch diesmal. Einfach nur Meh.