Generell bin ich ja kein großer Fan von Blogstöckchen. Aber Almut Schnerrings Fragen (Autorin der Rosa-Hellblau-Falle) haben mich dann doch lange beschäftigt. Was anders wäre, wäre ich ein Mann bzw. was tue ich nur, weil ich eine Frau bin? Darüber hab ich mal nachgedacht...
Was wäre anders in deinem Leben, in deinem Alltag, wenn du ein Mann wärst?
Ich versuche meine Partnerschaft so gleichberechtigt zu führen wie möglich. Viele Dinge fallen dadurch automatisch weg. Aber ich arbeite zB seit 2008 durchgehend im Bereich der Frauenförderung. Frauen sind meine Arbeitskolleginnen und Chefinnen, Frauen sind meine Kundinnen und Teilnehmerinnen. Natürlich gibt es unzählige Bereiche, in denen Männer dominieren, in denen es auch fast nur Männer als Kollegen und Kunden gibt, aber dort hat es sich aufgrund unserer Gesellschaftsstruktur so ergeben, und in meinem Fall ist es, um eine gesellschaftliche Ungleichheit eben auszugleichen.
Wäre ich ein Mann, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dass ich mich in gleichem Maße für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen würde. Gleichzeitig müsste ich mir auch nicht den Vorwurf anhören, dass Männer ja sicher nicht gut zusammenarbeiten könnten, weil sie ja so "zickig" und "stutenbissig" seien.
Menschen würden nicht davon ausgehen, dass ich schwanger bin, nur weil mir "die Budl aussisteht". Ich habe keine Überbleibsel der Schwangerschaft auf meinen Hüften, ich trage irgendwas mit Größe 38. Das halte ich nicht für sonderlich dick. Andere tun das allerdings, oder sie halten es für schwanger, denn sonst scheine ich ja "normal" zu sein.
Von kaschieren halte ich mittlerweile nicht mehr viel. ich finde, andere Menschen sollen sich gefälligst damit arrangieren, dass es verschiedene Körperformen gibt. Mein Wamperl ist mal mehr mal weniger sichtbar. Je nach Mittagessen. Und Frühstück. Als Mann würde da mein Gegenüber an keine "Entschuldigung" wie eine Schwangerschaft denken, weil wenn nicht stark übergewichtig eine Frau in den "besten" Jahren ja quasi auf ihre Figur schauen würde.
Als Mann im selben Alter hätte ich vermutlich auch nicht zahlreiche Abnehmversuche hinter mich gebracht, eine Ernährungsumstellung gemacht und mich mit 54 Kilo bei 1,61 cm als zu dick eingeschätzt. Als Mann hätte ich vermutlich keinen Abend in der Disco sausen lassen, weil ich mich zu unattraktiv gefühlt hätte, das Haus wegen meinem Bauch zu verlassen.
Als Mann würde ich vermutlich aber keine Röcke tragen, und das tu ich sehr gerne. Ich würde mich vermutlich nicht so bunt anziehen, aber hätte vermutlich weniger Gedanken an meine Frisur, wenn sie vom Fahrradhelm plattgedrückt ist. Vermutlich hätte ich auch keine knallbunte Nagellacksammlung.
Als ich auf Weltreise ging, holte ich mir für den Anfang einen männlichen Reisekollegen hinzu, weil ich ein bisschen Schiss hatte allein als Frau unterwegs zu sein. Das hätte ich mir als Mann sicher aus diesen Gründen erspart.
Als Mann würde es nicht als emanzipativer großer Akt gewertet werden, von langen Haaren auf ganz kurz umzusteigen. Deshalb würde mich auch niemand plötzlich als anderes Geschlecht wahrnehmen oder als homosexuell.
Männer würden sich nicht auf der Straße herausnehmen, mein Aussehen lautstark zu kommentieren, mich zum Lächeln auffordern und mir ungefragt "Komplimente" oder "derbe Anfragen" vor die Füße knallen.
Ich würde mir automatisch mehr Platz im Bus verschaffen.
Mich würden deutlich weniger Menschen fragen:
Warum kennst du dich beim Computer so gut aus?
Was tust du nur deshalb, weil du eine Frau bist?
Mir die Beine und Achseln immer wieder mal rasieren, weil mich die Blicke stören. Nicht immer, aber immer wieder mal.
Mich verantwortlich fühlen, an die Geburtstage der Verwandtschaft des Partners zu denken und zu erinnern.
Mich verantwortlich fühlen für das Besorgen der nächsten Größe der Kinderkleidung und Schuhe.
Was tust du nicht, weil du eine Frau bist?
Ich versuche, mich in nichts einzuschränken. Ein Taxi statt einem nächtlichen Fußweg durch den Park ist mir dennoch lieber. Zu zweit ist mir das egal. Aber alleine muss es nicht sein. Momentan sind diese nächtlichen Wege eher selten, aber oft genug habe ich kaum vom Bus ausgestiegen nachts zu telefonieren begonnen, habe bewusst besonders festen Schrittes den Heimweg angetreten und einen Schlüsselbund zwischen den Fingern getragen. Insofern kann ich nicht einfach jeden Weg zu jeder Tageszeit entspannt angehen, eben weil ich eine Frau bin und gewisse Ängste in mir schlummern. Auch wenn die Statistik was anderes sagt.
Durch welche Klischees fühlst du dich persönlich beeinträchtigt?
Frauen und Technik. Eigentlich bin ich unter anderem EDV-Trainerin und mache total viel am Computer, auch sonst bin ich eigentlich handwerklich geschickt. Trotzdem beginnen mir
die Ohren zu bluten, wenn mir jemand irgendein Rechenbeispiel anhand von Schrauben erklärt. Mit Äpfeln wärs kein Thema. Aber bei technisch konnotiertem Inhalt schaltet mein Hirn
automatisch ab, vor lauter Überzeugung ich kapier das eh nicht.
Ich baue auch Möbel zusammen und bastle gern. Trotzdem würd ich nie einen Werkzeugkoffer einfach mal so durchforsten, weil in meinem Kopf "kannst du eh nicht" so richtig stark verankert ist. Aus diesem Grund hab ich vor einigen Jahren auch bei einem Workshop mitgemacht, bei dem Sexspielzeug aus Fahrradteilen gebastelt wurde. Das hat total Spaß gemacht, war überhaupt kein Thema, aber war die absolute Überwindung.
Rational weiß ich , dass das bullshit ist. Innerlich hab ich trotzdem eine extreme Abwehr einfach mal hinzugreifen/hinzuschauen/hinzuhören.
Erzähle von einer Situation, in der du bemerkt hast, dass es von Vorteil ist, zur Gruppe der Frauen zu gehören.
Frauen sprechen zwar nicht über alles untereinander, aber es gibt dennoch viele Körperthemen, über die sie sich austauschen. Auf irgendeinem Blog - ich glaube es war onyx - fand ich mal die Frage, warum oder ob sich Männer über ihre ersten Samenergüsse unterhalten, weil Frauen ja über Menstruation auch sprechen. Beim darüber Diskutieren mit meinem Partner ist mir bewusst geworden, dass es gerade für Themen, die in der Pubertät extrem präsent sind - körperliche Veränderungen, erste sexuelle Erfahrungen, Verhütung und Verliebtsein in der männlichen Sphäre an (Aus)sprache mangelt.
Auch wenn ich mir die ganzen Foren für Schwangere und Eltern sehe, wie viel da diskutiert und gesprochen wird - manches anonymer, manches weniger anonym: Da gibt es eine oder mehr Gesprächskultur. Und darüber bin ich sehr froh. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es sein muss, als heranwachsender Mann bei so vielen Themen allein gelassen zu werden und einfach nur cool zu prahlen, um mein Gesicht zu wahren.
Gibt es Situationen, in denen das Geschlecht keine Rolle spielt?
Durch meinen Beruf und auch durch mein Studium der Geschlechterforschung, befinde ich mich automatisch in einem Umfeld, in dem Rollenklischees kaum Platz haben. In dieser "Blase" fällt mir selten auf, dass ich Frau bin.
Wenn mir dann allerdings Menschen begegnen, die einfach so ihre traditionelle Weltanschauung vor sich hinleben und mich auch so behandeln, als würde ich mich in dieses Bild nahtlos einfügen, bin ich im besten Fall irritiert, im schlimmsten werde ich total wütend und aggressiv. Gottseidank passiert das aber sehr sehr selten.
Was würde sich für dich verändern, wenn du ein Mann/eine Frau oder keins von beiden wärst?
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